Multipolare Anarchie in unserer Welt
In dem Beitrag vom 07. Mai 2025 haben wir unter dem Titel «Die Achse der Autokraten» geschrieben (Link):
80 Jahre Frieden, Demokratie, Ethik und Freiheitsrechte in Europa: das gilt es zu bewahren, zu leben und wertzuschätzen. Es gibt aber gefährliche Gegenentwicklungen – wie z.B. den Populismus, Polarisierung, Fake News und «Die Achse der Autokraten»!
Sind wir bereit, für unsere Freiheitsrechte einzustehen und demokratische Werte zu verteidigen? Ethik und Nachhaltigkeit scheinen weltweit immer weniger Bedeutung zu haben – inkl. Zuverlässigkeit und Anstand. Dabei sind positive Werte elementar für jede DEMOKRATIE und das erfolgreiche Zusammenleben von Menschen in Freiheit.
Eindrücke: In immer mehr Staaten dieser Welt wird die Gewaltenteilung grob missachtet und populistische sowie machtbesessene Führer meinen, ihre Interessen rücksichtslos umsetzen zu dürfen. Von Russland, China, Nordkorea, Iran, Türkei u.a. wissen wir schon länger, dass sie diese Macht nicht nur intern ausüben, sondern gezielt auch in anderen Ländern, wie beispielsweise in Europa, Asien und Afrika. Und nun auch die USA – unser bisheriger Partner für Sicherheit und Freiheit. Dabei gilt nicht «America first», sondern «Donald Trump first». Anstand und Ethik spielen bei all diesen populistischen Führern keine Rolle. Sie wollen Erfolg um jeden Preis und verkaufen sich als «Gewinner». Wissenschaftlich fundierte Fakten werden einfach negiert sowie Bestrebungen für ökologische und soziale Nachhaltigkeit ausser Kraft gesetzt. Es geht ihnen darum, unsere Demokratien zu destabilisieren und an die Macht zu kommen.
Erkenntnis: Wir sind in der Schweiz und der EU sehr naiv und wollen bislang nicht wahrhaben, dass mächtige Kräfte unsere Demokratien destabilisieren und unsere Meinungs- und Freiheitsrechte gezielt ausser Kraft setzen. Wir müssen uns dagegen wirkungsvoll wehren, Abhängigkeiten reduzieren und zugleich die sozial-ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft voranbringen. Wie das geht? Das will ich in diesem Beitrag aufzeigen und Sie zugleich einladen, dabei mitzuwirken.
Hinweis: zu dem Thema gab es auch ein Webinar. Hier die Präsentation zum Download: Demokratie schützen 250527
Hier nun eine Fortsetzung bzw. Ergänzung unter dem Titel «Multipolare Anarchie in unserer Welt», basierend auf zwei aktuellen Zeitungsbeiträgen in der NZZ:
In dem Artikel der Neue Zürcher Zeitung Pro „Auf der Welt herrscht momentan eine multipolare Anarchie““ vom 06.10.2025 hat Rüdiger Frank einige interessante Fakten benannt, die mit den Ausführungen aus dem Buch «Die Achse der Autokraten» deckungsgleich sind:
- Die gegenwärtige Weltordnung wird nicht mehr von wenigen dominierenden Grossmächten geführt wird, sondern von einer Vielfalt von Akteuren, die jeweils eigene Interessen verfolgen. Dazu gehören besonders China und Russland – aber auch Nord-Korea
- Was eint China, Russland und Nord-Korea? Das gemeinsame Gefühl der Bedrohung durch den Westen. Es geht nicht um einen sozialistischen Block; es ist eine Zweckgemeinschaft.
- Rüdiger Frank beschreibt den Zustand als eine „multipolare Anarchie“ — damit meint er, dass es zwar mehrere Machtzentren gibt, aber keine stabile, übergeordnete Ordnung, die diese Akteure verbindlich regelt. Ausgelöst wurde dieser Zustand durch den Rückzug der USA als globale Führungsmacht – nunmehr stark beschleunigt durch Donald Trump.
- Warnung: Diese Entwicklung kann den Einfluss des Westens weiter schwächen und die Spannungen zwischen den Blöcken verschärfen, mit möglichen destabilisierten globalen Folgen.
- Staaten handeln heute primär pragmatisch nach Eigeninteresse und weniger nach gemeinsamer, verbindlicher Normensetzung oder einem hierarchisch geordneten System.
Zudem: Der deutsche Osteuropa-Historiker Karl Schlögel ist einer der profiliertesten Beobachter von Russland, der Ukraine und den Beziehungen Europas zu beiden. Bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels sagte er «Die Ukraine erinnere Europa an die Werte, die es zu verteidigen gelte». Die NZZ hat am 20.10.2025 in ihrem Feuilleton über Karl Schlögel unter der Überschrift «Von der Ukraine lernen heisst furchtlos sein» berichtet. ChatGPT gibt zu Karl Schlögels Aussagen folgende Antworten:
1. Wie beurteilt Schlögel die Situation mit Russland?
Schlögels Analyse lässt sich in mehreren Aussagen zusammenfassen:
- Russland unter Wladimir Putin ist kein „normaler“ Partnerstaat mehr, sondern übernimmt die Rolle eines Aggressors. So sagt er: „Russland ist der Feind … ein Staat, der in Europa einen Krieg angefangen hat, und darauf müssen sich die Deutschen einstellen.“
- Er sieht eine „Vorkriegssituation“. In einem Interview sagte er: „Wir befinden uns in einer Vorkriegssituation, … viel mit den 1930er Jahren zu tun hat.“
- Russland betreibe eine Strategie der Destabilisierung: „Destabilisierung, wie sie von Russland betrieben wird, richtet sich gegen ‚die Macht‘, gegen ‚die Souveränität‘ eines Staates. … Man will die Menschen fertig machen.“
- Er warnt vor der Illusion, Russland könne sich bald in einen reformorientierten, demokratischen Staat verwandeln. Stattdessen sieht er einen Kreislauf von Rückschritt und Repression.
- Der Westen habe Russland zu lange unterschätzt und sei zu zögerlich gewesen, was Moskau als Schwäche auslege.
Kurz gesagt: Schlögel sieht Russland als einen aggressiven Akteur, der bewusst die Souveränität seiner Nachbarn angreift – insbesondere die der Ukraine – und in Europa eine neue sicherheitspolitische Realität schafft, die mit massiver Vorsicht betrachtet werden muss.
2. Was kann der Westen von der Ukraine lernen?
- Die Ukraine verteidige nicht nur ihr eigenes Territorium, sondern das Europaverständnis: Schlögel: „Von ihnen müsse man lernen, was Widerstand und Tapferkeit heisse.“
- Der Westen muss sich fragen: Warum kann Russland einen Krieg führen – und wie schafft es die Ukraine, ihn zu bestehen? Schlögel schreibt: „Fragen Sie nicht die Ukraine, wann der Krieg enden wird. Fragen Sie sich selbst, warum Putin in der Lage ist, ihn weiterzuführen.“
- Eine Lehre: Die Bereitschaft, Verteidigung ernst zu nehmen, nicht nur als militärische, sondern auch als politische und gesellschaftliche Aufgabe. Schlögel appelliert: „Wenn du den Frieden willst, stelle dich ein auf den Krieg.“
- Auch die Fähigkeit der Ukraine, demokratisch-gesellschaftliche Widerstandskraft mit militärischem Durchhaltevermögen zu verbinden, wird hervorgehoben. Schlögel mahnt, dass der Westen sparsamer wird mit Ausreden und stattdessen echte Solidarität zeigt.
- Schliesslich: Es geht nicht allein um das Lernen von der Ukraine, sondern um Demut und Realitätsbewusstsein des Westens. Schlögel kritisiert, dass viele in Europa die Ukraine früher ignoriert hätten, und empfiehlt ein neues Verhältnis zu ihr.
Zusammengefasst
- Für Schlögel ist Russland aktuell eine zentrale Bedrohung Europas – nicht nur militärisch, sondern in seiner Gesamtstrategie der Einflussnahme und Destabilisierung.
- Die Ukraine stellt nach seiner Analyse ein Beispiel dar: für freien Willen, Verteidigungsbereitschaft und demokratische Resilienz – und bietet damit dem Westen wichtige Lektionen.
- Deutschland und Europa müssten sich von alten Russland-Mythen verabschieden, ihre Verteidigungs- und Außenpolitik neu denken, und die Ukraine konsequenter unterstützen.
Hinweis: wir werden ein weiteres Webinar zu dem Themenblock anbieten. Informationen dazu werden Sie demnächst hier finden.