Aktuelles zu Plastik-Abfällen, Deponien für Textilien und biobasierten Kunststoffen

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Auszüge aus dem Newsletter Nr. 7 vom Mai 2025
Die Gemeinwohl-Ökonomie Schweiz (www.econgood.ch) mit ihren vier Grundwerten Menschenwürde, Solidarität und soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Transparenz und Demokratie unterstützt mit PLASTIKFASTEN verantwortungsbewusste Konsument*innen.

Fast Fashion und Textilmüll

Gemäss einem Bericht der European Environment Agency (EEA) vom März 2025 ist der Verbrauch von Kleidern, Schuhen und Haushaltstextilien in Europa auf einem neuen Höhepunkt angelangt. 2022 verbrauchten die EU-Bürger*innen jährlich 19 kg dieser Waren gegenüber 17 kg im Jahre 2019. Die EEA führt diesen Trend auf die Zunahme der Fast Fashion-Mode und synthetischer Billig-Textilien, auf vermehrte Influencer und online-Bestellungsmöglichkeiten zurück.

Gleichzeitig nimmt auch die Qualität der Altkleider stetig ab. Besonders bei Fast Fashion-Ware kann in Europa nur noch wenig auf dem Second-Hand-Markt verkauft werden. So landen riesige Mengen Alt-Textilien in Afrika und in anderen Ländern des Globalen Südens.

Einer der grössten Märkte für Alttextilien/Fast Fashion befindet sich in Accra, der Hauptstadt von Ghana. Täglich kommen auf dem Kantamanto-Markt Dutzende Lastwagen mit Kleidern und Schuhen aus Europa, Asien und Amerika an. Gemäss SRF-Tagesschau (siehe Video Dez. 2021) sind es ca. 160 Tonnen pro Tag. Dort werden die gepressten Ballen von Hand auseinandergerissen und sortiert. Die brauchbaren Waren werden auf einem riesigen Second- Hand-Markt weiterverkauft oder handwerklich weiterverarbeitet. Der grössere Teil der Ware ist aber auch dort nicht mehr verwendbar und landet auf unkontrollierten Mülldeponien (z.B. auf einem riesigen Abfallberg am Meeresstrand), die oft auch noch angezündet werden und so giftigen Rauch in die Umwelt ablassen.

Anfang Januar 2025 ist der Second-Hand-Markt in Accra durch einen grossflächigen Brand auch noch weitgehend zerstört worden. Siehe z.B. auch die Greenpeace-Recherche zu Textilmüllexporten nach Ostafrika oder netzfrauen.org.

Es gibt in den wohlhabenden Ländern immer noch viel zu wenig Konsument*innen, die wissen, welche Probleme mit der schnelllebigen Mode verbunden sind. Die NGO "Public Eye" setzt sich aktuell stark für eine nachhaltigere Mode ein und startet am 6. Mai 2025 eine Kampagne "Stopp Fast Fashion", bei der Du mitmachen kannst. Die Aktion verdient eine weite Verbreitung. Mehr dazu unter diesem Link.

 

Gute Nachrichten: Vorgezogener Recyclingbeitrag für Kleider

Um die Verwertung bzw. das Recycling der Berge von Altkleider in der Schweiz zu verbessern, hat der Bundesrat gemäss SRF-Tagesschau Hauptausgabe vom 19.04.2025 (3 Min., bei 16'43'') einen Bericht erarbeitet, nach dem für Kleider ein vorgezogener Recyclingbeitrag (analog den elektronischen Geräten) eingeführt werden soll. Für ein T-Shirt ist z.B. eine Gebühr von 20 Rappen vorgesehen. Zusammen mit dem geplanten Bau eines Textil-Recycling-Zentrums in St.Margrethen (SG) könnte das ein Fortschritt sein. Wie viel das zu einem echten Kreislauf beiträgt, muss sich aber erst noch erweisen.

 

Wissen: Schwerpunkt biobasierte Kunststoffe

Kurze Zusammenfassung
Biobasierte Kunststoffe standen im letzten Jahrhundert am Anfang des Plastikzeitalters, wurden aber bald von erdölbasierten Kunststoffen massiv überholt. Heute erlangen sie im Zuge der Nachhaltigkeits- und Mikroplastikdebatte wieder zunehmend Bedeutung, obwohl ihr Anteil am Gesamtvolumen noch sehr klein ist. Dabei spielen die 'naturnahe Herstellung' aus nachwachsenden Rohstoffen, die Abbaubarkeit sowie Typen mit neuen Einsatzmöglichkeit gegenüber herkömmlichen Kunststoffen eine treibende Rolle. Trotzdem sind auf dem Markt nur wenige Produkte aus 100% biobasiertem Kunststoff zu finden.

Biobasierte Kunststoffe werden im Wesentlichen aus zucker-, stärke- oder cellulosehaltigen Pflanzen hergestellt. Neuerdings gibt es auch Typen aus Pilzen sowie solche, die mit Hilfe von Bakterien hergestellt wurden.

Man muss klar unterscheiden zwischen Typen, welche stabil, gleich wie herkömmliche Kunststoffe auf fossiler Basis (PET, PA, PE, PS u.a.) hergestellt und recyclebar sind, sowie solchen Typen, die bioabbaubar sind und nicht in die Plastiksammlung gegeben werden dürfen, weil sie das Recycling stören. Biobasierte Typen haben anscheinend eine bessere CO2-Bilanz als fossil hergestellte; viele von ihnen sind aber auch mit anderen gewichtigen Nachteilen behaftet wie etwa dem hohen Landverbrauch und der Kultivierung mittels industrieller, chemieintensiver Landwirtschaft. Sie sind deshalb nicht automatisch ökologischer als fossil basierte Typen. Die abbaubaren Kunststoffe könnten zwar theoretisch die Umweltverschmutzung mit Mikroplastik mildern, sind aber nur für den Einmalgebrauch bestimmt, was nicht im Sinne der angestrebten Kreislaufwirtschaft ist.

Vor- und Nachteile biobasierter (gegenüber fossil basierten) Kunststoffe

Vorteile:

  • Biobasierte Kunststoffe entstehen aus nachwachsenden Rohstoffen, was dem heutigen Wunsch nach Kreisläufen gerecht wird.
  • Sie schonen die fossilen Energieträger, verringern die Erdölabhängigkeit und haben meist eine bessere CO2-Bilanz als fossile Kunststoffe.
  • Wenn sie 100%ig bioabbaubar sind und keine problematischen Hilfsstoffe enthalten, können sie zur Verringerung der Umweltverschmutzung durch Mikroplastik beitragen

Nachteile:

  • Biobasierte Kunststoffe enthalten meist die gleichen, oft nicht biobasierten Hilfsstoffe wie vergleichbare fossil basierte Produkte.
  • Sie sind meist deutlich teurer als funktionell gleichwertige fossil basierte Kunststoffe.
  • Wenn sie aus Nahrungspflanzen gewonnen werden, konkurrenzieren sie potenziell die Nahrungsmittelproduktion. Die am häufigsten verwendeten Ausgangspflanzen werden zudem in der Regel industriell, unter Einsatz von chemischen Hilfsmitteln angebaut und bedingen z.T. lange Transportwege. Das beeinflusst die Ökobilanzen negativ. Wenn die Mengen weiter stark zunehmen, kann der zunehmende Landverbrauch zum Problem werden. Siehe z.B. nature.com
  • Bioabbaubares Verpackungsmaterial ist leicht durch abbauende Mikroorganismen besiedelbar, welche unter Umständen auch das Produkt oder das Lebensmittel kontaminieren können.
  • Zur Optimierung der Eigenschaften, aber auch aus Kostengründen, werden oft Mischungen, sog. 'Blends', mit anderen Typen (auch fossilen Ursprungs) verwendet, was u.a. das Recycling erschwert.
  • Enthalten die 'Blends' sowohl bioabbaubare als auch nicht abbaubare Kunststoffe, so ist ein möglicher Verbleib in der Natur besonders schädlich, da die Gegenstände rasch zerfallen und den nicht abbaubaren Teil als Mikroplastik in der Natur zurücklassen
  • Bioabbaubares Material ist für den Einmalgebrauch bestimmt, kann nicht recycliert werden und darf nicht in die etablierten Plastikmüllsammlungen gegeben werden, da sie das heute übliche werkstoffliche Recycling stören. Die Verwertung in Biogasanlagen ist kein echtes Recycling mehr und in industriellen Kompostierungsanlagen können nicht abbaubare Hilfsstoffe zum Problem werden. Für den Hauskompost ist es meist nicht geeignet.

Siehe hierzu auch die Beurteilungen des deutschen Umweltbundesamtes. von packaging-warehouse.com oder von plastXnow.de.

 

Fazit von plastikfasten.ch

  • Man kann biobasierte Kunststoffe gegenüber den fossil-basierten nicht pauschal als mehr oder weniger nachhaltig beurteilen. Eine Bewertung / Oekobilanz muss sich immer auf ein konkretes Material und eine konkrete Anwendung beziehen.
  • Bei aus Nahrungspflanzen gewonnene Typen besteht v.a. bei steigendem Bedarf die Gefahr, dass sie die industrielle Landwirtschaft fördern und die Nahrungsmittelproduktion konkurrenzieren.
  • Für spezielle Anwendungen können biobasierte Typen, die nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen, keine problematischen Inhaltsstoffe enthalten und 100%ig bioabbaubar sind, gewisse Vorteile gegenüber fossilen Produkten bringen. Dies gilt z.B. in der Medizin oder bei Aussenanwendungen, bei welchen die Gefahr besteht, dass das Produkt in der Umwelt verbleibt.
  • Mit der verwirrenden Vielfalt und der mangelhaften Information auf den einzelnen Produkten (wo bleibt hier z.B. die Ampelauszeichnung zur Kreislauffähigkeit?) werden Konsumierende in ihren Entscheiden alleingelassen. Kein Mensch kann sich bei jedem Einkauf darum kümmern, ob die Verpackung der Broccoli oder der Batterien recyclebar ist oder sonst wie umweltgerecht entsorgt werden kann. Willst du hier mindestens etwas Kleines bewegen, so schliesse dich zusammen mit anderen und organisiere regelmässige Schreiben an den Handel oder wenn möglich an die produzierenden Unternehmen, in dem ihr eurem Unmut Ausdruck gebt. Wenn ihr diese Botschaften auf dem Blog von plastikfasten.ch postet, können andere euch nachahmen. Go!
  • Für die Lösung des weltweiten Plastikproblems bezüglich Umwelt- und Gesundheitsrisiken können biobasierte Kunststoffe vermutlich nur einen kleinen Beitrag leisten. Wichtiger bleiben vor allem Vermeidungsstrategien (Verbote für gewisse Chemikalien, Produkte oder Anwendungen, Umstellung auf Mehrwegsysteme u.a.) sowie die weitere Optimierung des Recyclings (weltweite Massnahmen gegen Littering, weltweite Etablierung von effizienten Sammelsystemen, Produktdesigns für bessere Recyclebarkeit, Verbesserung der Recycling-Methoden u.a.).

Hinweis: der gesamte Newsletter kann hier angeschaut werden - Link.